Zielstrebig, familiär und authentisch: Stürmer Tim Lutz im Exklusiv-Interview

Juli 10, 2025 | Allgemein, Hauptnews

„Dies jetzt meinen Beruf nennen zu dürfen, ist auf jeden Fall ein Traum, der in Erfüllung ging!“

Tim Lutz ist bei den Eispiraten Crimmitschau vielleicht so etwas wie der „heimliche Hoffnungsträger“ der neuen Saison. Der Offensivmann hatte in der vergangenen Spielzeit einen herben Rückschlag in Form eines Syndesmosebandrisses hinnehmen müssen und fehlte mehrere Monate. Pünktlich zum Saisonende kam der 24-Jährige dann aber ordentlich in Schwung und hatte gerade in den Playdowns einen riesigen Anteil am Klassenerhalt seines Teams. Wir haben uns mit Tim unterhalten – herausgekommen ist ein authentisches, erfrischendes und vor allem informatives Interview, in welchem man auch den Menschen hinter der Trikotnummer 22 besser kennenlernt.

Wir freuen uns sehr, dass du uns in der Offseason für ein Interview zur Verfügung stehst, Tim. Genau so sehr freuen wir uns darüber, dich auch nächste Saison im Eispiraten-Trikot zu sehen. Warum hast du dich für eine Vertragsverlängerung entschieden?

Für mich gab es keinen Grund, nicht zu verlängern. Ich bin überzeugt, dass Crimmitschau sportlich der beste Ort für mich ist, und ich schätze das Vertrauen, das die Eispiraten in mich setzen, sehr. Ich hätte mir sicher gewünscht, dass noch mehr Spieler aus dem letztjährigen Kader geblieben wären – ich mochte unser Team wirklich sehr. Vor allem hoffe ich aber, dass wir auch in der kommenden Saison eine starke, wettbewerbsfähige Mannschaft auf dem Eis haben werden.

Welche Ziele hast du dir für die kommende Saison gesteckt? Sowohl persönlich als auch mit dem neu formierten Team?

Die persönlichen Ziele behalte ich immer für mich. Ich versuche mehr mit Leistungen, als mit Worten zu überzeugen. Als Team wollen wir sicher die Pre-Playoffs erreichen. Zum Saisonstart werden wir intern noch unsere genaueren Ziele ausloten und besprechen. Auf jeden Fall wollen wir eine erfolgreichere Saison spielen, als letztes Jahr.

“Ich versuche das Maximum aus meinem Körper herauszuholen, um zum Saisonstart in bestmöglicher Verfassung zu sein.”

Aktuell befindet ihr euch noch in der Sommerpause. Genießt du die freie Zeit?

Nach der Saison war ich mit meiner ganzen Familie im Urlaub. Es war eine wunderschöne Zeit, in der ich mich sehr gut entspannen und die Akkus aufladen konnte. Aber auch in meinem Alltag, Zuhause in der Schweiz, genieße ich die gemeinsame Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden sehr.

Wie sah und sieht dein Trainingsplan über die Offseason aus?

Ich absolviere das Sommertraining bei Lars Habermacher. Er hat an der ETH Zürich studiert und ist einer der besten Athletiktrainer der Schweiz. Wir sind eine Trainingsgruppe aus Eishockeyspielern, wie Denis Malgin oder Yannik Albrecht, und Leuten aus alpinen Wintersportarten, wie Ski- und Snowboard-Fahrern. Täglich trainieren wir im Kraftraum oder wandern auch mal Berge hoch. Zudem war ich zwei Mal je eine Woche bei Alex Kercs in Straubing zum Skill-Training. In der Schweiz gehe ich mit Kevin Parada als Coach auf Eis. Unter anderem auch mit NHL-Spielern wie Jonas Siegenthaler, Pius Sutter, David Reinbacher und vielen weiteren National League-Spielern. Als Ausgleich habe ich dieses Jahr viele verschiedene Sportarten gemacht, da ich sehr gerne neue Sachen ausprobiere, um immer wieder neue Trainingsreize zu setzen.

Also Dinge, für die man in der Saison eher weniger Zeit aufbringen kann?

Richtig, durch den eng getakteten Spielplan. Ich war viel Mountainbiken in den Alpen, habe Tennis und Paddel gespielt, war Wind-, Wing- und Kitesurfen am Meer und absolvierte Boxtraining bei Yves Bellandi. Ich lege sehr hohen Wert auf die Vorbereitung und investiere gerade sehr viel, da man so die Basis für die Saison schafft. Ich versuche das Maximum aus meinem Körper herauszuholen, um zum Saisonstart in bestmöglicher körperlicher Verfassung zu sein.

Du lebst damit die besten Eigenschaften für einen Profi-Sportler vor. War es schon immer dein Wunsch, den Eishockeysport zu deinem Beruf zu machen?

Ich wusste lange nicht, dass man davon leben kann und hatte nie die Intention, damit Geld zu verdienen. Es war einfach eine Leidenschaft und ich fühlte mich immer privilegiert, solch ein kostenintensives Hobby als Kind ausüben zu dürfen.

Wie bist du eigentlich zum Eishockey gekommen?

In der Straße, in der wir früher gewohnt haben, haben die älteren Jungs immer Unihockey gespielt. Ich habe oft zugeschaut und durfte irgendwann auch mal mitspielen. Das erste Mal auf dem Eis war ich schließlich bei einem Firmenturnier meines Vaters – sein Team hat jedes Spiel verloren und er hat das einzige Tor geschossen. Das ist mir auf jeden Fall noch in Erinnerung geblieben (lacht).

Und jetzt, viele Jahre später, lebst du den Traum vom Profi.

Als es dann mehr in Richtung Leistungssport ging, war es ein klares Ziel und ich wollte diese Chance einfach nutzen. Ich richtete schließlich alles nach dem Eishockey aus. Dies jetzt meinen Beruf nennen zu dürfen, ist auf jeden Fall ein Traum, der in Erfüllung ging. Einer, der aber nur durch harte Arbeit weitergelebt werden kann.

“Meine Familie bedeutet mir alles und die Dankbarkeit kann man gar nicht in Worte fassen.”

Parallel zum Sport legst du aber auch schon den Grundstein für die Zeit nach der Karriere.

Ich studiere Wirtschaftswissenschaften an einer Uni in der Schweiz. Für mich war das Thema Ausbildung und ein Plan B immer von großer Bedeutung, um mir ein zweites Standbein nach der Karriere aufzubauen. Für mich ist es zudem ein guter Ausgleich, um mich neben dem Eishockey auch einer anderen Sache zu widmen und meinen Kopf anzustrengen. Würde ich nicht Eishockey spielen, hätte mich sicher auch ein medizinscher Beruf sehr interessiert.

Du machst einen sehr gefestigten Eindruck und sprichst auch immer wieder davon, ein Familienmensch zu sein. Welche Rolle spielt deine Familie, insbesondere mit Blick auf deine sportliche Karriere?

Die wichtigste Rolle! Bevor ich angefangen habe Eishockey zu spielen, hatte in meiner Familie mit diesem Sport keiner wirklich große Berührungspunkte. Ich wurde aber von Tag eins an bestmöglich unterstützt. Wir haben nicht direkt an einer Eishalle gewohnt. Demnach wurde ich von meinen Eltern, trotz ihres Berufsalltages, täglich zum Training gefahren. Ohne sie wäre ich heute nicht hier. Meine Familie bedeutet mir alles und die Dankbarkeit kann man gar nicht in Worte fassen. Man darf natürlich auch die mentale Ebene nicht vergessen – da konnte ich ebenso immer auf sie zählen.

Aber nicht nur auf deine Eltern.

Auch meine beiden Schwestern unterstützen mich extrem und schauen oft meine Spiele. Ich spüre die Unterstützung meiner kompletten Familie, die in der letzten Saison auch mehrfach in Crimmitschau war. Sie alle sind begeistert von der großartigen Stimmung im Sahnpark.

Du bist in der Schweiz geboren, besitzt aber auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Wie kommt das zu Stande?

Mein Papa ist Deutscher und ist damals für seinen Doktor im Chemie-Studium aus Stuttgart in die Schweiz gezogen. Dort hat er meine Mutter kennengelernt. Ich bin also als Doppelstaatsbürger geboren und lebe durch meine Eltern und meine Verwandtschaft auch beide Kulturen.

“Ich kann mich noch an eine Schlägerei in der Straßenbahn erinnern. Das war kurz nach meinem Start in Mannheim und hat mich schon sehr schockiert.”

2016 hast du schließlich auch deine ersten Schritte auf deutschem Eis gemacht. Mit 16 Jahren bist du in die Jugend der Adler Mannheim gewechselt und hast dort bis 2018 gespielt. Wie sehr hat dich diese Zeit geprägt?

Ich bin in einem kleinen und friedlichen Dorf in der Schweiz aufgewachsen und kannte dieses Stadtleben davor gar nicht. Es fiel mir anfangs doch sehr schwer, mich daran zu gewöhnen. Ich kann mich noch an eine Schlägerei in der Straßenbahn erinnern. Das war kurz nach meinem Start in Mannheim und hat mich schon sehr schockiert. Nachfolgend muss man aber sagen, dass es für mich der richtige Schritt war. Ich war auf mich allein gestellt und musste mich in diesem, für mich neuen und von sportlich großer Konkurrenz geprägten, Umfeld durchsetzen und viel Disziplin an den Tag legen. Es war eine wegweisende Zeit, in der ich viele tolle Erinnerungen sammeln durfte.

Besteht noch heute Kontakt zu damaligen Weggefährten?

Viele Jungs von damals sind heute auch im Profibereich tätig. So kommt es immer wieder vor, dass man sich nun als Gegenspieler gegenübersteht und sich nach den Spielen kurz austauschen kann. Gerne schaut man da auf gemeinsame Ereignisse zurück und erinnert sich an lustige Geschichten, die man zusammen erlebt hat.

Du hast in dieser Zeit das Trikot der deutschen U-Nationalmannschaft getragen, deine Club-Stationen haben folglich jedoch immer wieder zwischen der Schweiz und Deutschland gewechselt. Du kennst also beide Länder, Kulturen und Mentalitäten wirklich bestens. Was sind denn die größten Unterschiede?

In meinem Alltag als Berufssportler und Student gibt es tatsächlich nicht allzu große Unterschiede. Beides sind für mich tolle Länder mit großen Möglichkeiten und Aussichten. In der Schweiz sind die Distanzen sehr kurz – man ist schnell und pünktlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt, aber auch in der puren Natur. Außerdem bezahlt man weniger Steuern, hat dafür aber auch deutlich höhere Kosten. In Deutschland ist alles weiter weg und wirkt viel größer. Insgesamt haben beide Länder sehr viel zu bieten und ich bin froh, bereits so viel von beiden gesehen zu haben.

Und wenn man die Frage auf den Eishockeysport begrenzt?

Auf dem Eis sind sowohl die Schweiz als auch Deutschland tolle Eishockey-Nationen, welche in den letzten Jahren oft mit der Weltspitze mitgespielt haben. Beide Länder haben tolle Ligen, welche viel Aufmerksamkeit generieren. Wobei in Deutschland nicht nur die erste Liga, sondern auch die DEL2 viele Zuschauer anlockt. Das ist mit der zweiten Liga in der Schweiz nicht vergleichbar, hängt wohl aber auch mit der Größe und den Einwohnerzahlen zusammen. In der Schweiz wird großer Wert auf die technischen und läuferischen Fähigkeiten bei der Ausbildung gelegt. In Deutschland hat immer auch der Kampfgeist eine größere Rolle gespielt.

Zurück zu deiner sportlichen Karriere. Wer ist aus deiner Sicht der beste Spieler, mit dem du je zusammengespielt hast?

Da gibt es wirklich sehr viele gute Spieler. Aus der Zeit in Mannheim sind das sicherlich Moritz Seider und Tim Stützle, die nun beide in der NHL spielen. Mo war auch mein Klassenkamerad und wir haben zum Beispiel das Sommertraining immer gemeinsam bestritten. Tim war mein Nachbar im Internat. Beide gehören für mich zu den besten Spielern der Welt und sind zudem unglaublich tolle Persönlichkeiten. In Davos durfte ich neben der Legende Andreas Ambühl auch ein paar Spiele mit NHL-Star Joe Thornton absolvieren. Das war ebenso beeindruckend. Es ist also schwer, sich auf einen festzulegen.

Foto: www.rheinpfalz.de

Das sind wirklich großartige Spieler und beeindruckende Persönlichkeiten. Wie sieht es bei den Trainern aus?

Unter Michel Riesen, damals in der U20 sowie in der ersten Mannschaft von Davos tätig, habe ich immer gern gespielt. Er hat mir sehr viel beigebracht und einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich den Sprung zu den Profis geschafft habe. Er hat Eishockey etwas anders gedacht und immer über den Tellerrand geschaut, was ich sehr beeindrucken fand. Die Trainingseinheiten waren sehr spielerisch und technisch geprägt. Es war einfach eine tolle Zeit, in der ich mich als Spieler sehr öffnen konnte. Unter ihm habe ich mein Profidebüt für den HC Davos gegen Rapperswil gefeiert – dieses besondere Spiel gegen meinen Jugendverein zu bestreiten, war wohl einer der schönsten Momente in meiner Karriere.

Bleiben wir abschließend bei schillernden Figuren, die dich auf deinem Weg begleitet haben. Wer waren die Vorbilder in deiner Kindheit?

Ich habe immer zu meinen Eltern aufgeschaut. Sie leben für mich in allen Belangen sehr vorbildlich und ich bewundere sie beide nach wie vor sehr. Im Eishockey war ich ein großer Fan von Henrik Zetterberg, welcher damals im Lockout auch für Zug gespielt hat. Er unterschrieb mir damals sogar ein Cap. Er war ein Führungsspieler, welcher sowohl offensiv als auch defensiv unglaublich stark war.

Ähnlich wie für Henrik Zetterberg damals, steht für dich auch bald wieder die Zeit an, Autogramm- und Fotowünsche zu erfüllen, vor allem aber über das Eis zu flitzen. Die Fans der Eispiraten freuen sich bereits, dich ein weiteres Jahr im Trikot der Eispiraten spielen zu sehen. Bis dahin wünschen wir dir eine weiterhin großartige Sommerpause. Danke für deine Zeit und diese persönlichen Einblicke, Tim!

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